Mikrofinanz in Andhra Pradesh: Die Krise als Chance
Wie hat die Mikrofinanzkrise 2010 im indischen Andhra Pradesh die Arbeit von Oikocredit verändert? Vor welchen Herausforderungen steht der Sektor aktuell? Das waren einige Fragen bei einer internationalen Mikrofinanzkonferenz in Hyderabad, die von Oikocredit organisiert wurde. Dr. Christina Alff war vor Ort.
Maanaveeya wurde 2004 als eigenständige Tochter von Oikocredit in Hyderabad in Andhra Pradesh gegründet. Heute stellt Maanaveeya 60 Partnern ein Kreditportfolio von 65 Mio. Euro zur Verfügung und ist damit das kapitalstärkste Regionalbüro von Oikocredit. Aktuelle Berichte aus Indien finden Sie hier.
Die Ursachen der Krise
Nach der Liberalisierung des indischen Finanzsektors in den 90er Jahren gründeten sich tausende Mikrofinanzinstitutionen (MFI), die sich erstmals an ärmere KundInnen richteten. Das waren vor allem so genannte „non banking financial companies“ (NBFC), die lediglich Kredite vergeben und keine Spareinlagen annehmen durften.
Viele der MFI machten im Lauf der Zeit äußerst profitable Geschäfte. Gespart wurde an der Kundenbetreuung: „Sie wurden lax, überprüften ihre Kunden nicht mehr ausreichend, und so kam es zu schneeballartigen Kreditpyramiden, bei denen mit dem einen Kredit Zins und Tilgung des vorigen gedeckt wurde“, sagt der Wirtschaftsjournalist Tamal Bandyopadhyay.
Dem überhitzten Markt fehlte ein Kontrollsystem. Das brachte etliche überschuldete Frauen in eine missliche Lage. Selbstmorde wurden in Zusammenhang mit unverantwortlicher Kreditvergabe gebracht. Die Regierung von Andhra Pradesh reagierte 2010 mit strikten Regulierungen im MFI-Sektor, u.a. mit einer Zinsobergrenze.
Die Folgen für Maanaveeya
Maanaveeya suchte neue Partner und investierte in innovative Sektoren wie Wasserversorgung, Sanitär, erneuerbare Energien und landwirtschaftliche Wertschöpfungsketten.
Die RednerInnen der Partnerorganisationen und unabhängiger Finanzinstitutionen sahen die Krise heute als überwunden an. Die meisten nahmen sie sogar als Chance wahr, sich auf die Ursprünge zu besinnen: sich an den Bedürfnissen der KundInnen zu orientieren und die Armut zu reduzieren. Gewürdigt wurde Maanaveeya für das unermüdliche Eintreten für kundenorientierte Dienstleistungen – auch als dies zwischenzeitlich nicht „en vogue“ war.
Die Chancen der Mikrofinanz
Der Entwurf eines neuen Mikrofinanzgesetzes liegt nun vor. Es sieht u.a. vor, dass MFI mit einem Kreditbüro zusammen arbeiten müssen, um Überschuldung zu vermeiden. KundInnen dürfen nur bei zwei Institutionen gleichzeitig einen Kredit haben. Dieses System funktioniert in anderen Ländern (z.B. Bolivien) erfolgreich. Darüber hinaus können MFI Banklizenzen erwerben und so ihren KundInnen die gesamte Palette an Finanzdienstleistungen von Spareinlagen bis Überweisungen anbieten.
Erläutert wurde, wie neue Technologien, u.a. das mobile Banking, den MFI-Sektor beeinflussen werden. Kostengünstigere Transaktionen können mittelfristig zu besseren Konditionen für KundInnen führen. Die neue Regierung hat zudem ein ehrgeiziges Ziel ausgegeben: Bis Anfang 2016 sollen 100 % der Erwachsenen in Indien über ein Bankkonto verfügen. Bislang sind es lediglich 35 %.