Zweiter Quartalsbericht 2022: Durchwachsenes Ergebnis aufgrund anhaltender wirtschaftlicher Ungewissheit
Vierteljährlich veröffentlicht Oikocredit Fakten und Zahlen zum vorangegangen Quartal. Der Bericht liefert wichtige Hintergrunddaten und gibt einen Einblick in die neusten Entwicklungen der Genossenschaft.
Unsicherheit an den Märkten wirft lange Schatten
Auch im zweiten Quartal 2022 verzeichnete Oikocredit aufgrund der anhaltenden Ungewissheit an den Märkten ein durchwachsenes Ergebnis. Gründe dafür waren vor allem die hohe Inflation, steigende Zinsen, der Krieg in der Ukraine sowie Covid-19-bedingte Lockdowns in Asien. Daher musste unsere Genossenschaft – nicht zuletzt aufgrund wiederholter Kurseinbrüche an den internationalen Anleihemärkten – einen weiteren Wertverlust ihres Anleihenportfolios (Wertpapieranlagen) hinnehmen, der abermals zu einem Nettoverlust führte. Die Qualität und der Umfang unseres Entwicklungsfinanzierungsportfolios sowie die Einnahmen aus Darlehen und Kapitalbeteiligungen entsprachen dem Niveau des Vorquartals.
Der Wertverlust unserer Wertpapieranlagen im Berichtsquartal betrug 15,4 Millionen Euro (gegenüber 9,3 Millionen Euro im ersten Quartal). Damit lagen unsere Nettoverluste bei insgesamt 9,1 Millionen Euro (gegenüber 6,3 Millionen Euro im ersten Quartal). Gleichzeitig trugen das positive Zinsergebnis, die geringeren Rückstellungen für Kreditverluste und die im Budgetrahmen liegenden Betriebskosten dazu bei, dass der zusätzliche Nettoverlust im Vergleich zum Vorquartal auf etwa die Hälfte der gestiegenen Verluste unseres Wertpapieranlagen-Portfolios begrenzt werden konnte.
Entwicklungsfinanzierung und Kapitalzuflüsse relativ stabil
Unser Entwicklungsfinanzierungsportfolio, das aus Darlehen und Kapitalbeteiligungen an Partnerorganisationen in Afrika, Asien, Lateinamerika und der Karibik besteht, ging im zweiten Quartal minimal zurück: von 1.015,2 Millionen Euro auf 1.014,7 Millionen Euro. Auch das bei Oikocredit angelegte Kapital sank insgesamt leicht, weil die Zuflüsse rückläufig waren: von 1.129,8 Millionen Euro auf 1.125,6 Millionen Euro. Unsere Mitglieder und Anleger*innen sind uns jedoch treu geblieben. Wir hielten engen Kontakt mit unseren Förderkreisen und Direktmitgliedern, um uns ein Bild von der Stimmung bei den Investor*innen machen zu können.
Aufgrund von Rückzahlungsschwierigkeiten bei einigen Partnerorganisationen stieg der Anteil ausfallgefährdeter Kredite mit PAR 90 („Portfolio at risk“), deren Rückzahlungen mehr als 90 Tage überfällig sind, von 6,3 Prozent im Vorquartal auf 6,8 Prozent an und liegt damit über unserer Zielgröße von 6 Prozent. Die Rückstellungen für Kreditverluste und Wertberichtigungen auf Kapitalbeteiligungen sind allerdings nicht wesentlich gestiegen, was auf eine stabile Portfolioqualität hindeutet. Die Dividenden aus unseren Kapitalbeteiligungen entsprachen den Erwartungen. Ein für das zweite Quartal geplanter Verkauf einer Kapitalbeteiligung wurde verschoben. Die Gesamtzahl unserer Partnerorganisationen erhöhte sich von 508 auf 509.
Infolge steigender Zinsen sind auch unsere Zinseinnahmen aus dem Kreditportfolio gestiegen. Der stärkere US-Dollar führte zudem zu positiven Wechselkurseffekten, da unser Lateinamerika-Portfolio sowie der Großteil unseres Landwirtschaftsportfolios überwiegend auf Dollar bzw. auf Währungen lautet, die sich im Gleichschritt mit dem Dollar bewegen. Trotz der insgesamt gestiegenen Absicherungskosten für Lokalwährungsdarlehen liegt das Zinsergebnis über der Zielvorgabe. Die mit der Umsetzung der Strategie für 2022-2026 und dem neuen Beteiligungsmodell verbundenen höheren Kosten liegen unter den Budgetgrenzen.
Infolge der Nettoverluste sank der Nettoinventarwert (NAV) auf 211,28 Euro (Q1: 212,24 Euro).
Wegen der negativen Entwicklung unseres Anleihenportfolios, die auch unser Ergebnis dämpfte, entsprachen die Zahlen des zweiten Quartals nicht ganz unseren Erwartungen. Um weitere Verluste durch den Wertverfall des Portfolios zu vermeiden, wurden die Wertpapieranlagen zum größten Teil veräußert.
Mit 18,6 Prozent (Q1: 20,3 Prozent) ist das Liquiditätsniveau weiterhin ausreichend, um Rückzahlungen an Mitglieder und Anleger*innen zu bedienen und in den kommenden Monaten neue Kreditvergaben und Kapitalbeteiligungen zu finanzieren.
Soziale Wirkung und Umfrage 2022 zur Eigenwahrnehmung
Unsere Arbeit mit Partnerorganisationen in den Bereichen soziale Wirkung und Beratungs- und Schulungsprogramme kommt gut voran. Zwanzig Partnerorganisationen aus dem inklusiven Finanzwesen haben bereits ihre Teilnahme an unserer zweiten digitalen Umfrage zur Eigenwahrnehmung von Kund*innen zugesagt: sieben aus Afrika, acht aus Lateinamerika und fünf aus Asien, einschließlich Indien. Der Fragenkatalog steht auf Englisch, Hindi, Khmer, Kiswahili, Portugiesisch und Spanisch zur Verfügung. Sieben Partnerorganisationen haben die Fragebögen an ihre Kund*innen weitergeleitet – 9.000 Kund*innen haben bereits geantwortet. Angestrebt wird die Teilnahme von mindestens 15.000 Kund*innen.
Dabei soll ermittelt werden, ob es in den vorangegangenen zwölf Monaten wesentliche Veränderungen in den Lebensumständen der Kund*innen gab. So erhalten wir und unsere Partnerorganisationen ein klareres Bild davon, inwieweit der Zugang zu Finanzdienstleistungen nach Wahrnehmung der Kund*innen ihre Lebensgrundlagen verbessert.
Organisatorische Entwicklungen
Im Juni fand nach einer Mitgliederversammlung unsere internationale Generalversammlung statt. Da in einigen Ländern weiterhin Covid-19-Beschränkungen gelten, wurde eine Hybrid-Veranstaltung durchgeführt, an der die Direktmitglieder und andere Gäste über ein webbasiertes Konferenz- und elektronisches Abstimmungssystem teilnehmen konnten. Nur einige wenige Teilnehmer*innen waren in der Oikocredit-Geschäftsstelle im niederländischen Amersfoort anwesend.
Die Generalversammlung billigte den Jahresabschluss für 2021 und nahm den Vorschlag an, entsprechend der Dividendenpolitik von Oikocredit eine Dividende von 0,5 Prozent auszuschütten. Die Berichte zur Strategie 2022-2026 und zum neuen Beteiligungsmodell stießen bei der Generalversammlung auf große Resonanz. Ferner beschloss die Generalversammlung, die Leitungsfunktion des Mitgliederrats durch eine Änderung der Satzung formell festzuschreiben. Zwei Mitglieder des Aufsichtsrats wurden für eine zweite Amtszeit bestellt. Zudem wurden fünf neue Mitglieder ernannt, um die durch das Ausscheiden mehrerer Aufsichtsratsmitglieder im Jahr 2021 frei gewordenen Stellen zu besetzen.
Gegen Ende des zweiten Quartals gab Oikocredit eine Veränderung der Organisationsstruktur bekannt. Die Einrichtung eines Executive Committee, dem sowohl Mitglieder der bisherigen Geschäftsführung als auch neu ernannte Direktor*innen angehören, soll die Führungsstruktur stärken. Aktuell gibt es eine höhere Personalfluktuation und es dauert etwas länger, freiwerdende Stellen zu besetzen.
Weiterer Ausblick
Wir sehen mit Optimismus in die Zukunft und freuen uns, dass unsere Strategie für 2022-2026 verstärkt auf die soziale Wirkung durch gemeinschaftsorientierte Entwicklung in unserem Inflow- und Outflownetzwerk – also das Zusammenwirken unserer Anleger*innen und Partnerorganisationen – abzielt.
Wir werden externe Ereignisse und Marktentwicklung auch weiterhin aufmerksam verfolgen. Vor dem Hintergrund der aktuellen Unwägbarkeiten ist Wachsamkeit geboten – sowohl mit Blick auf potenzielle Chancen als auch auf die Kostenentwicklung. Unsere Partnerorganisationen und deren Kund*innen auch in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen hat für uns höchste Priorität. Vor diesem Hintergrund werden wir die Leistung sowie die Verfassung unserer Partnerorganisationen intensiv begleiten.
Angesichts der erst kürzlich in Deutschland in Kraft getretenen aufsichtsrechtlichen Änderungen werden wir dort erst dann wieder neue Anleger*innen werben, wenn unser neues Beteiligungsmodell umgesetzt ist. Das neue Modell soll bei der außerordentlichen Generalversammlung im Oktober gebilligt werden. Bis dahin werden die Kapitalzuflüsse voraussichtlich weiter zurückgehen. Mit einer großzügigen Liquiditätsausstattung und umsichtigem Bilanzmanagement im Hinblick auf das Wachstum und die Qualität unseres Entwicklungsfinanzierungsportfolios werden wir die Genossenschaft sicher durch diese Phase steuern.
Wir planen, im dritten Quartal den Verkauf unseres Wertpapieranlagen-Portfolios abzuschließen. Gleichzeitig werden wir die Kostenentwicklung im Auge behalten und das robuste Wachstum unseres Entwicklungsfinanzierungsportfolios vorantreiben. Nicht zuletzt wollen wir weitere Maßnahmen umsetzen, um unsere Partnerorganisationen zu unterstützen und mit unseren Anleger*innen zusammenzuarbeiten.
Mit unserem neuen Executive Committee sind wir optimal aufgestellt, um die Genossenschaft erfolgreich in die Zukunft zu führen.
Weitere Informationen unter Oikocredit Fakten & Zahlen Q2 2022.
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